Ein Instrumentalunterricht, der im wesentlichen über das Abspielen von Noten und anhand kognitiver Lernprozesse vermittelt wird, lädt die linke Hemisphäre geradezu ein, die Führung zu übernehmen.

Ein Klavierspiel unter Dominanz der linken Hemisphäre bewirkt aber zwei elementare Defizite:

  • Es klingt mechanisch und unmusikalisch und vermittelt den Eindruck, als liefe es ohne innere Beteiligung des Spielers ab.
  • Ein Zustand, in dem Klavierspielen als entspannendes Tun erfahren wird, ist nicht zu erreichen.

 

Da diese Defizite beim Spielen unter Kontrolle der rechten Hemisphäre nicht auftreten, ist es notwendig, methodische Strategien zu entwickeln, die dieser Hemisphäre den Zugang zur musikalischen Informationsverarbeitung verschaffen.

Den Weg dazu weist uns die Rückbesinnung auf die elementarste Form des Umgehens mit Musik: zuhören, Gehörtes nachsingen oder nachspielen, „in sich“ hineinhören und versuchen, das Gehörte auf dem Instrument darzustellen, ohne auch nur in Gedanken das musikalische Geschehen symbolisieren zu wollen.

Mit Hilfe dieser Umgehensweisen am Instrument und elementaren Improvisationsübungen ohne Noten gelangen die Erwachsenen bald zu einem Klavierspiel unter Dominanz der rechten Hemisphäre.

Erst nachdem genügend Erfahrungen beim Klaverspielen unter Dominanz der rechten Hemisphäre gemacht wurden, kann auch die Notation eingeführt werden: Nun sind die Lernenden in der Lage, die Notation mit Hilfe des Klangvorstellungsvermögens zu „beleben“, und trotz des Spielens nach Noten besteht keine Gefahr mehr, daß allein die linke Hemisphäre die Kontrolle übernimmt.

Der Überbetonung der Kontrolle durch die linke Hemisphäre im herkömmlichen Klavierunterricht soll nicht die Überbetonung unter Kontrolle der rechten Hemisphäre entgegengesetzt werden. Beide Informationsverarbeitungssysteme sollen trainiert und gestärkt werden, die ihnen gemäßen Aufgaben zu bearbeiten und letzlich beim Klavierspiel synergistisch zusammenzuwirken.

 

Problemlösen als Informationsverarbeitung

Für eine Didaktik des Erwachsenenunterrichts bedeutsam, könnten auch Überlegungen von D. Dörner sein, die sich mit Problemlösungsstrategien Erwachsener befassen. Dörner nennt die geistige Ausstattung des Menschen, die ihn zum Problemlösen befähigt, kognitive Struktur.

Sie setzt sich aus zwei Denkstrukturen zusammen, der epistemischen Struktur, ES genannt (von griechisch episteme = Wissen), und der heuristischen Struktur, HS genannt (Heurismen = Findeverfahren). „Die Ausprägung des ES bestimmt die Fähigkeit eines Individuums, innerhalb eines Realitätsbereichs „reproduktiv“ Aufgaben zu lösen, während die Ausprägung der HS entscheidend für die Fähigkeit zum „produktiven“ Denken ist“(Dörner).

Bei einer Aufgabenbewältigung, die mit Hilfe der ES vorgenommen wird, werden bekannte Schemata angewandt. Wenn aber die vorhandenen Schemata zur Aufgabenbewältigung nicht ausreichen, müssen mit Hilfe der HS neue heuristische Strategien entwickelt bzw. konstruiert werden.

Daraus folgt, daß die Aktivierung von ES oder HS abhängig ist von der jeweiligen Art der Aufgabenstellung, d.h. inwieweit vertraute Handlungsmuster zur Lösung eines Problems ausreichen bzw. nicht ausreichen.

Übertragen auf die Lösung musikalischer Aufgabenstellungen bedeutet dies, daß beispielsweise das reproduktive Erlernen eines Musikstückes mit bekannten Stilmerkmale vorwiegend epistemische Strukturen aktiviert.